Wir werden weniger sowie älter und bunter

Der demographische Wandel wird die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten zunehmend beeinflussen. Sie betreffen Deutschland aber in besonderem Maße. Es kommt darauf an, die demographischen Veränderungen und die damit verbundenen Auswirkungen frühzeitig zu erkennen und zu gestalten, um damit verbundene Chancen zu nutzen und damit einhergehende Risiken abzuwenden. Der demographische Wandel betrifft auf Bundesebene nahezu alle Ressorts und Politikbereiche.

Der demographische Wandel ist im Wesentlichen durch fünf Entwicklungen gekennzeichnet:

1. Das Geburtenniveau ist in Deutschland dauerhaft niedrig und liegt seit etwa 40 Jahren um ein Drittel unter dem Niveau zur Erhaltung der Bevölkerungszahl (Generationenersatz). Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung steigt, weil die Kindergeneration jeweils kleiner als die Elterngeneration ist.

Im Jahr 2010 lag die Geburtenrate in Deutschland bei durchschnittlich 1,39 Kindern je Frau. Für die Erhaltung der Bevölkerungszahl (Generationenersatz) wären 2,1 Kinder notwendig. Deutschland gehört im internationalen Vergleich seit dem Jahr 1980 zu den Ländern mit besonders niedriger Geburtenrate. Dabei ist das durchschnittliche Gebäralter kontinuierlich angestiegen, ebenso bleiben immer mehr Frauen kinderlos. Verheiratete Frauen haben im Durchschnitt mehr Kinder als Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder alleinerziehende Frauen. Für Deutschland gilt: Je höher der Bildungsstand, desto weniger Kinder hat eine Frau geboren. So entscheiden sich Frauen mit höherer Bildung häufiger für den Karriereweg.

2. Die Lebenserwartung nimmt kontinuierlich zu und bewirkt eine weitere Verschiebung der Alterszusammensetzung der Bevölkerung zugunsten der Älteren. Das Anwachsen älterer Bevölkerungsgruppen geht einher mit dem Altern der geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1964 (Babyboomer), die nach 2020 in das Rentenalter eintreten werden. Ihre Versorgung wird dann in den Händen schwächer besetzter jüngerer Jahrgänge liegen. Der Rückgang der Bevölkerungszahl und die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung sind in der heute bestehenden Altersstruktur bereits angelegt.

Seit 1950 prägt primär der Zugewinn in den Lebensjahren älterer Menschen das Stadtbild. Zu dieser Entwicklung haben maßgeblich der gestiegene Wohlstand, die verbesserten Arbeitsbedingungen, die Fortschritte in der medizinischen Versorgung, Hygiene und Ernährung beigetragen. Die gesellschaftlichen Altersbilder werden der gesellschaftlichen Wirklichkeit häufig nicht mehr gerecht, denn sie unterschätzen Gesundheit und Leistungsfähigkeit im fortgeschrittenen Alter. Das Sterberisiko im mittleren und hohen Alter wird durch den sozialen Status, durch Lebensstilfaktoren und gesundheitliche Risiken beeinflusst.

3. Die Bevölkerungszahl wird durch Zu- und Abwanderung beeinflusst. Deutschland war in der Vergangenheit ein Land mit starken Wanderungsgewinnen. Diese haben zu einer Abmilderung des Alterungsprozesses geführt. Nachdem der Wanderungssaldo Jahrelang rückläufig und zwischenzeitlich sogar negativ war gab es seit 2010 wieder deutliche Wanderungsgewinne.

Deutschland hat in seiner jüngeren Geschichte alle denkbaren Erscheinungsformen der grenzüberschreitenden Migration erlebt: Aus-, Ein- und Transitwanderungen. Arbeitswanderungen ebenso wie Flucht- und Zwangswanderungen – sowohl von Deutschen als auch von Ausländern. Deutschland hat sich nach dem zweiten Weltkrieg zu einem der beliebtesten Einwanderungsländer Europas entwickelt. Die Zuwanderer ließen sich vor allem in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern nieder. Seit 1970er-Jahren hat sich die Zahl der deutschen Auswanderer nahezu verdreifacht. Über 50% dieser Auswanderer sind bereits als Führungskräfte oder Wissenschaftler beschäftigt gewesen.

4. Die demographische Entwicklung verläuft innerhalb Deutschlands regional unterschiedlich. Viele ostdeutsche Regionen sind mit einem deutlichen Rückgang der Bevölkerungszahl und einer starken Alterung konfrontiert. Zunehmend gilt dies jedoch auch für ländliche und städtische Regionen in Westdeutschland.

Seit 1991 ist die Bevölkerung in allen ostdeutschen Ländern zurückgegangen. Auf längerer Sicht bleiben nur einzelne „Wachstumsinseln“ vornehmlich in den ökonomisch starken Regionen übrig. Während die Altersgruppe der 18- bis unter 30-jährigen bevorzugt in die Städte wandern, stellt sich bei den übrigen Altersgruppen ein komplementäres Bild ein; hier haben die Städte fast durchweg Wanderungsverluste. Der Stadt-Land-Gegensatz wird überlagert von großräumigen auf die Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarktlage zurückzuführenden Unterschieden, die in Teilen mit einem Ost-West-Gegensatz übereinstimmen.

5. Deutschlands Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten ethnisch heterogener geworden. Derzeit leben hier zirka 15,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Es ist zu unterscheiden zwischen Ausländern mit und ohne eigene Migrationserfahrung. Wichtigstes Herkunftsland bei Ausländern mit eigener Migrationserfahrung ist die Türkei (20,5%), Italien (7,3%) und Polen (5,9%). Auch unter den ausländischen Staatsangehörigen ohne eigene Migrationserfahrung dominiert die Türkei. Personen mit Migrationshintergrund sind deutlich jünger sowie häufiger ledig als die deutsche Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Die Zuwanderinnen sind seltener kinderlos und haben häufiger vier oder mehr Kinder. Das Geburtsverhalten nähert sich mit steigender Aufenthaltsdauer dem der Aufnahmegesellschaften. Geburten finden weniger und/oder später statt.

In den nächsten 50 Jahren wird es vermutlich einen Rückgang der Bevölkerungszahl von 14% bis 21% geben. Im Jahr 2060 wird jeder Dritte mindestens 65 Lebensjahre durchlebt haben, und es werden doppelt so viele 70-Jährige leben, wie Kinder geboren werden. Es ist damit zu rechnen, dass um 2050 mehr als jeder siebte der Bevölkerung 80 Jahre und älter sein wird. Im internationalen Vergleich ist die Verschiebung der Altersstruktur in Deutschland relativ stark ausgeprägt.

Heute leben in Deutschland knapp 50 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter. Ihre Zahl wird nach 2020 deutlich zurückgehen, so werden 2060 dann etwa 33 Millionen Menschen im Erwerbsalter sein. Höhere Zuwanderungszahlen können den Trend zwar nicht umkehren, jedoch vorübergehend abmildern. In jedem Fall wird das Erwerbspersonenpotenzial in der Zukunft zu einem erheblichen Teil aus Menschen bestehen, die älter als 50 Jahre sind.

Wichtige Indikatoren für die Zukunft sind der Jugendquotient, für die Einschätzung der zukünftigen Ausgaben für Kinderbetreuung und das Schulwesen, sowie der Altenquotient, dieser ist bei der Entwicklung der öffentlichen Alterssicherungssysteme eine Rolle.

Ein Kommentar zu “Wir werden weniger sowie älter und bunter

  1. „seit 2010 wieder deutliche Wanderungsgewinne.“…Bingo! Dann werden wir ja nach Wanderungsgewinnern zu Wanderungssiegern. Und in der Championsleague sind wir, wenn wir Deutschen durch Zuwanderer ersetzt sind..Hurra!!

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